In seinem Urteil vom 06.08.97 – VIII ZR 92/96 – (abgedr. in DB 1997, S. 2270) stellte der Bundesgerichtshof in einem Leitsatz fest: „Unternehmervorteile und Provisionsverluste (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB) sind durch eine auf den Zeitpunkt der Beendigung des Handelsvertretervertrages zu stellende Prognose zu ermitteln. Die tatsächliche Entwicklung der Verhältnisse während des Prognosezeitraums kann in diesem Zusammenhang nur insoweit berücksichtigt werden, als sie im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bereits abzusehen war.“ In diesem Urteil weicht der BGH von seiner früheren Rechtsprechung ab.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Tankstellenhalter (Kläger) forderte von einer Mineralölgesellschaft (Beklagte) einen Ausgleich nach der Vorschrift des Handelsvertreterausgleichs gem. § 89 b HGB. Dabei kam es im wesentlichen darauf an, ob bei einer Entscheidung aus der späteren Sicht die tat-sächliche Abwanderung zu berücksichtigen ist, wie die frühere Rechtsprechung annahm. Der BGH begründete seine Entscheidung nunmehr damit, daß Grundlage der Ausgleichsberechnung nur eine zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung zu stellende Prognose sein könne, die sich als richtig oder unrichtig erweise, sich aber nicht durch später eintretende Umstände ändern kann. Diese Umstände können deshalb nur dann in die Prognose einfließen, wenn sie im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bereits abzusehen sind. Von unvorher-gesehenen tatsächlichen Entwicklungen kann die Höhe des bereits entstandenen Anspruchs dagegen nicht mehr beeinflußt werden. Für die Prognostizierung der Provisions-verluste des Tankstellenhalters genügt daher die Feststellung, daß jährlich der Umsatz mit Stammkunden wegen der Abwanderung eines Teils derselben voraussichtlich um einen gewissen Prozentsatz geringer ausfallen wird als im Basisjahr. Zwar ist die Rechtsprechung nur in Bezug auf die Besonderheiten des Tankstelleninhabers abgestellt, es ist jedoch zu erwarten, daß die Rechtsprechung auch auf die übrigen Han-delsvertreterausgleichsansprüche anzuwenden ist. Das Urteil ist von entscheidender Bedeutung, da in der Vergangenheit häufig am Ende ei-nes mehrjährigen Prozesses feststand, daß ein Kundenstamm tatsächlich nicht mehr vorhanden war. Die Folge war die Abweisung der Klage auf Ausgleich, da die vertretene Firma keinen Nutzungsvorteil mehr hatte. Für die vertretenen Unternehmen bedeutet dieses Urteil, daß nunmehr verstärkt Prognosegründe gefunden werden müssen, die den späteren Nutzungsvorteil abschwächen.