HGB §§ 354, 87 b Abs. 2
1. Ein nicht mehr bestehender Handelsvertretervertrag entfaltet faktische Wirkung, sofern es um die Ermittlung einer nicht ausdrücklich vereinbarten Provisionshöhe im Falle einer sich anschließenden projektbezogenen Zusammenarbeit geht.
2. Liegt eine stillschweigend getroffene Provisionsvereinbarung für eine Handelsmaklertätigkeit vor, kann die Vorschrift des § 87b Abs. 2 HGB keine Rechtsfolgen mehr entfalten.
[ OLG Stuttgart, Urteil vom 09.08.2000 – 9 U 72/2000 ]
Zum Sachverhalt: In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war zwischen den Parteien nach dem Abschluss eines von der Klägerin vermittelten Geschäftes die Höhe der Provision streitig. Die Fortführung eines zuvor bestandenen Handelsvertretervertragsverhältnisses mit der in Insolvenz geratenen Vorgängerin der Beklagten konnte von der klagenden Handelsmaklerin nicht nachgewiesen werden. Unstreitig zwischen den Parteien war, dass die Klägerin projektbezogen mit der Beklagten weiter zusammenarbeitete. Im Vorfeld des Vertragsschlusses des vermittelten Geschäftes war von der Beklagten versucht worden, den Provisionssatz in Höhe von 10 % des Handelsvertretervertrages zu ihren Gunsten zu verändern. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Ferner bestand zwischen den Parteien Streit über die Zusammensetzung der Auftragssumme für zwei gelieferte Verpackungsmaschinen. In Ihrem Angebot hatte die Beklagte den Maschinenpreis mit je DM 375.000,– netto zuzüglich Verpackungskosten von DM 3.900,–und Montagekosten von 15.000,– angeboten. Anschließend sind beide Maschinen für DM 625.000,– verkauft worden. In der Endabrechnung sind von der Beklagten entgegen des vorherigen Angebotes DM 301.800,– als Nebenkosten für Montage, Inbetriebnahme, Schulungen etc. deklariert worden, die nach Meinung der Beklagten nicht provisionspflichtig seien. Das LG Stuttgart sah in der ersten Instanz eine Provisionshöhe von 10 % als vereinbart an. Bezüglich der Nebenkosten orientierte sich das LG Stuttgart am ersten Angebot der Beklagten und brachte diese in Abzug. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Gründen: Das OLG Stuttgart stellt in seinem Urteil fest, dass im Falle der einvernehmlichen Erbringung von Handelsmaklerdiensten es keiner ausdrücklichen Vereinbarung hinsichtlich der Entgeltlichkeit bedürfe, da eine Vergütung gemäß § 354 HGB als stillschweigend vereinbart gelte. Das OLG Stuttgart führt aus, dass zwar der früher bestandene Handelsvertretervertrag aus rechtlicher Hinsicht nicht fortgesetzt worden sei, jedoch faktische Wirkung entfalte. Der Beklagten war somit bekannt, dass die Klägerin bei den im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Umsätzen eine Provisionssatz von 10% zu beanspruchen pflegte. Hieraus ergebe sich hinreichend deutlich, dass sich die Parteien für die Vergütungstätigkeit auf einen Provisionssatz von 10% stillschweigend verständigt hätten. Eine Einigung im Bezug auf den Provisionssatz kam im Vorfeld des Vertragsabschlusses nicht zustande, so dass das OLG Stuttgart zu der Überzeugung kam, dass der Provisionssatz aus dem früher bestehenden Handelsvertretervertrag nach wie vor Gültigkeit habe.
Zur nachträglichen Aufteilung des Gesamtkaufpreises führt das OLG Stuttgart aus, dass es offensichtlich sei, dass bei Aufteilung des Gesamtpreises versucht werden sollte, die Regelung in § 87 b Abs. 2 HGB zu Lasten der Klägerin zur Anwendung kommen zu lassen, wonach Nebenkosten von der Provisionsgrundlage abzusetzen sind, wenn sie gesondert in Rechnung gestellt werden. Aufgrund der stillschweigend getroffenen Provisionsvereinbarung könne diese Vorschrift allerdings keine Rechtsfolgen mehr entfalten. Ferner habe die Beklagte nicht darlegen können, wie hoch der Umfang der Nebenaufwendungen tatsächlich gewesen sei. Der Abzug der Nebenkosten habe sich deshalb an den vorherigen Angeboten zu orientieren. Die geringen Nebenkosten für Verpackung, Transport, Montage und Probelauf seien abzuziehen, da sich aus der Korrespondenz der Parteien entnehmen lasse, dass sich die Provision grundsätzlich am Maschinenwert orientieren sollte.