Ausgleichsanspruch

Ob und in welcher Höhe ein Handelsvertreter bei seinem Ausscheiden einen Ausgleichsanspruch hat, hängt von zahlreichen Voraussetzungen ab, die in § 89 b HGB im Einzelnen geregelt sind.

Beendigung

Kündigt das Unternehmen ordentlich, bleibt der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bestehen. Bei einer ordentlichen Kündigung durch den Handelsvertreter entfällt der Ausgleichsanspruch. Ausnahme: Die Fortsetzung kann dem Handelsvertreter aus Gesundheits- oder Altersgründen nicht mehr zugemutet werden.

Sofern ein wichtiger Grund oder begründeter Anlass zur Kündigung für den Handelsvertreter vorliegt, bleibt der Ausgleichsanspruch ebenfalls erhalten. Gleiches gilt für den Fall der einvernehmlichen Aufhebung eines Vertrages. Kann allerdings das Unternehmen aus wichtigem Grund kündigen, entfällt der Ausgleich.

Neukunden

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs hängt im Wesentlichen davon ab, welche erheblichen Vorteile der Unternehmer aus dem vom Handelsvertreter aufgebauten und dem Unternehmer verbleibenden Kundenstamm zukünftig ziehen wird. Der Fortbestand der vom Handelsvertreter vermittelten Geschäftsbeziehungen wird dabei vermutet.

Die Höchstgrenze für den Ausgleichsanspruch beträgt eine Jahresvergütung, die regelmäßig nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre berechnet wird bzw. bei kürzerer Laufzeit des Vertrages sich am Durchschnitt der Gesamtlaufzeit des Vertrages bemisst. Die häufig vertretene Meinung, der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters beliefe sich generell auf eine Jahresprovision, ist allerdings nicht richtig.

Berechnung

Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruches ist zunächst zu ermitteln, welche Vorteile der Unternehmer aus Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Neukunden und intensivierten Altkunden (Faustformel 100% Umsatzsteigerung) in den letzten 12 Monaten des Vertrages erzielt hat.

Nach der Rechtsprechung des BGH kann unterstellt werden, dass die Provisionsverluste des Handelsvertreters in dieser Zeit (Vermittlungs- bzw. Abschlussprovisionen) den Unternehmervorteilen entsprechen (BGH, Urteil vom 15.07.2009, Az. VIII ZR 171/08).

Wenn jedoch bei so genannten Einmalprovisionen Provisionsverluste nicht eintreten, bedeutet dies nicht automatisch den Wegfall eines Ausgleichsanspruches, da der Unternehmer unter Umständen noch Vorteile (Folgegeschäfte) aus den geschaffenen Geschäftsbeziehungen hat. Gegebenfalls kann der Unternehmer auch verpflichtet werden, Auskünfte hierüber zu erteilen. Entscheidend sind die Unternehmervorteile, fehlende Provisionsverluste können jedoch bei der Billigkeitsprüfung Berücksichtigung finden.

Es ist weiter festzustellen, wie voraussichtlich die Geschäftsbeziehungen angehalten hätten. Als Prognosezeiträume sind regelmäßig 2 – 5 Jahre anzunehmen. Voraussichtliche Umsatzrückgänge und Kundenabwanderungen sind mindernd zu beachten, sofern sie bei Vertragsende abzusehen waren.

Daneben können weitere andere Umstände unter Billigkeitsaspekten die Höhe des Rohausgleichs beeinflussen. (z. B. eine vom Unternehmer finanzierte Altersversorgung für den Handelsvertreter, die wirtschaftliche Lage oder die Frage, ob der Handelsvertreter überhaupt Provisionsverluste erleidet).

Schließlich ist bei der Berechnung des Rohausgleichs noch in der Regel eine Abzinsung zu berücksichtigen, da der Ausgleich in einer Summe sofort zu zahlen ist.

Der ermittelte Rohausgleich kann eine Jahresprovision nach § 89b HGB über- oder unterschreiten. Überschreitet der Rohausgleich eine durchschnittliche Jahresprovision, so ist der Ausgleichsanspruch auf die Jahresvergütung zu kürzen (Höchstbetrag). Bei der Berechnung des Höchstbetrages sind sämtliche Vergütungen, die der Handelsvertreter erhalten hat, mit einzubeziehen.

Unterschreitet der Rohausgleichsbetrag die berechnete Jahresprovision, so ist der Ausgleichsanspruch auf den Rohausgleichsbetrag beschränkt.

Verzicht / Geltendmachung

Eine vertragliche Regelung, die als voller oder teilweiser Verzicht auf den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB anzusehen ist, kann aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht wirksam werden. An ihre Stelle tritt bei Vertragsende ausschließlich die gesetzlich zulässige Regelung.

Der Ausgleichsanspruch muss innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden.

Beispiel:
Rohausgleich

Neukundenprovisionen der letzten 12 Monate: 30.000,– EUR inklusive Umsatzsteuer.

Provisionsverluste =
Unternehmervorteile:
1 Jahr nach Vertragsende:
– 15 % (Abwanderung)
25.500,–
2 Jahr nach Vertragsende:
– 15 % 21.675,–
3 Jahr nach Vertragende:
– 15 % 18.424,–
4 Jahr nach Vertragsende:
– 15 % 15.660,–
5 Jahr nach Vertragsende:
– 15 % 13.311,–
Vorteile gesamt: 94.570,–
Abzinsung 10 %: 85.113,–
Rohausgleichsbetrag: 85.113,–

Höchstbetrag

Jahresdurchschnitt sämtlicher Vergütungen anhand der letzten 5 Jahre: 65.000,– EUR inklusive Umsatzsteuer.

Der Ausgleich beträgt demnach EUR 65.000,– , da der Rohausgleich über dem Höchstbetrag liegt.

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